Als eine der Kerntechnologien für die Analyse von grossen, komplexen, unstrukturierten bzw. uneinheitlichen Datensätzen spielt Künstliche Intelligenz (KI) als Digitalisierungswerkzeug eine enorm wichtige Rolle. Methoden aus der KI haben grosses Potenzial – auch für die Holzwirtschaft.
KI – Reizwort oder Wunderwaffe?
«Eine gute Herangehensweise an das Thema KI besteht darin, sich zu überlegen: Welche Informationen würden mir helfen, wenn ich sie schon vorab hätte?», rät Oliver Bracht, CEO und Chief Data Scientist bei der Eoda GmbH in einem Gespräch mit IT-ZOOM. Wichtig sei, nicht mit der Technologie anzufangen, sondern zu schauen, welche Daten man brauche und wie man diese vernünftig sammeln könne. Erst im nächsten Schritt gehe es um die technische Umsetzung. «KI-Projekte scheitern eher an den Datenmengen und der Datenqualität als an der Technologie.» Nicht immer müsse es gleich «echte» KI sein, so Bracht: «Beim Deep Learning (siehe Box) sind sehr viele Daten nötig. Da besteht die Gefahr, dass man als KMU sagt: So viele Daten haben wir gar nicht.» Es gebe beispielsweise das Klassifikationsverfahren Random Forest, das sich ebenfalls für Prognosen eigne, aber nicht so viele Daten brauche. Ein Random Forest besteht aus mehreren unabhängigen Entscheidungsbäumen. Oft komme man auch mit relativ einfachen Methoden schon sehr weit, ist Bracht überzeugt. Wichtig sei jedoch, dass auch KMU sich frühzeitig mit dem Thema KI befassten und eigene Kompetenzen aufbauten.
Do-it-yourself Ansatz
Der Einstieg ins Thema für jedermann war wohl noch nie so einfach möglich wie heute. Seit Anfang der 2000er Jahre beobachtet man eine zunehmende Technologiedemokratisierung in sämtlichen MINT-Bereichen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik). Heute sind beispielsweise die Auswirkungen der sogenannten Maker-Bewegung sowie verteilter, kollaborativer Softwareentwicklung auf Innovationen in sämtlichen wirtschaftlichen Bereichen offensichtlich. Neben der Entstehung von Netzwerken und erfolgreicher Startups hat diese von interessierten Laien getragene Entwicklung auch einen niederschwelligen Einstieg in komplexe Themen ermöglicht. Das Potential einer interessierten Masse haben schliesslich auch die Techgiganten (u.a. Google, Microsoft) erkannt, die heute Werkzeuge und Anleitungen teilweise frei zu Verfügung stellen, wodurch auch Megatrends wie KI mit eingeschlossen sind.
Ein unmittelbar geschäftsrelevantes und einfach zu bedienendes Beispiel ist Microsoft Power Automate. Diese Umgebung erlaubt die grafische Programmierung von robotergesteuerter Prozessautomatisierung (RPA, automatisierte Bearbeitung von strukturierten Geschäftsprozessen durch Software-Roboter), die neben Microsoft Office 365 auch die Integration bestehender Software zulässt. Kenntnis einer Programmiersprache ist nicht notwendig. Mit der Umgebung können neben einfachen administrativen Aufgaben auch komplexere Workflows mithilfe von KI schnell erstellt werden. Beispielsweise ist mit dem AI Builder die intelligente Informationsextraktion aus Dokumenten möglich.
Vertiefter ins Thema KI kommen
Wer bereit ist, eine einfache Scriptsprache zu lernen, kann noch mehr Möglichkeiten von Machine Learning und KI auf der Cloud Plattform IBM Watson kennenlernen. Das kostenlose Angebot gibt anhand gut dokumentierter Beispiele Einblicke in die Möglichkeiten und Grenzen von KI Technologien. Auf diese Weise lassen sich eigene Testapplikationen umsetzen. Dabei muss sich der Benutzer lediglich um das Interface zur Watson Cloud kümmern, trainierte KI Systeme werden dort von IBM bereitgestellt. Für den produktiven Einsatz können diese Testanwendungen später auf die kostenpflichtigen Services übertragen werden.
Falls Sie noch tiefer in die Materie eintauchen wollen, bietet das freie Tensorflow Framework von Google sämtliche Werkzeuge, um eigene KI Lösungen anzutrainieren und einzusetzen. Während auch dieses System gut dokumentiert und mit Beispielen ausgestattet ist, erfordert der Einsatz Programmierkenntnisse sowie ein Grundverständnis der Algorithmen.
Der Ball liegt bei Ihnen
Die angeführten Beispiele sollen als Anregung dienen – es gibt eine Unzahl weiterer, unterschiedlich komplexer und bepreister Möglichkeiten, um das Thema KI selbst in die Hand zu nehmen. Besonders für eine kleine, feinstrukturierte und spezialisierte Branche wie die Schweizer Holzwirtschaft kann der do-it-yourself Ansatz eine attraktive Alternative bieten. Probieren Sie es doch einfach aus und lassen Sie sich durch eigene Einblicke anregen. Gerade im betriebswirtschaftlichen Bereich haben Mitarbeiter mit IT-Background oder -Enthusiasmus gute Chancen, sich die Werkzeuge zu erschliessen und nach einer überschaubaren Einarbeitungszeit vernünftige Ergebnisse zu erzielen.
Einsatz in der Holzwirtschaft
In der Holzwirtschaft ist KI derzeit noch wenig im Einsatz. Erste Implementierungen werden an der EMPA Dübendorf mit Bildanalyse für die Festigkeitssortierung von Brettware und die Prozesskontrolle in der Faserplattenherstellung umgesetzt. Es gibt weitere Ansätze, die sich aus anderen Bereichen übertragen lassen. So spielt KI-basierte Spracherkennung eine zunehmend wichtige Rolle beim Kundenservice in Form von Chatbots und für die automatisierte Generierung von Produktbeschreibungen. Bereits kommerziell verfügbare Systeme könnten für Vertriebsportale von Holzprodukten in gleicher Weise von Nutzen sein. Auch bieten KI-basierte Übersetzungstools eine effiziente Möglichkeit, um Onlineportale einer breiteren, und vor allem internationaleren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ebenso kann die Technologie im Zusammenhang mit Prozessoptimierungen hilfreich sein: Automatisierungslösungen in der Buchhaltung oder Predictive Maintenance zur besseren Wartungsplanung werden zunehmend durch KI unterstützt.
Spannende Möglichkeiten
Auch die Berner Fachhochschule BFH beschäftigt sich mit KI. Aktuell sind zwei Projekte in Vorbereitung, die deren Einsatz in der holzverarbeitenden Branche aufzeigen. Eines beschäftigt sich mit Planungsarbeiten, wo durch KI per Mausklick die Variantenvielfalt erhöht und damit das Kundenerlebnis verbessert werden kann. Ein anderes nimmt sich der digitalisierten Massaufnahme an und integriert automatisierte Lösungsvorschläge. «Es gibt viele spannende Möglichkeiten und wir arbeiten daran», sagt Rolf Baumann, Leiter des Instituts für digitale Bau- und Holzwirtschaft.
Künstliche Intelligenz (KI) impliziert oft eine intelligente Maschine, die gleiche oder grössere kognitive Fähigkeiten wie ein Mensch hat. Effektiv handelt es sich um einen Überbegriff, der nicht exakt definiert ist.
Machine Learning (ML) ist ein Gebiet der KI. Es beschäftigt sich mit den Algorithmen und Methoden, mit denen Maschinen ohne spezifische Programmierung aus Daten lernen können, eine bestimmte Aufgabe selbständig zu lösen.
Deep Learning wiederum ist ein Unterbereich von Machine Learning. Mithilfe von künstlichen Neuronalen Netzwerken wird Wissen aus Daten extrahiert. Neuronale Netzwerke sind die heute mit Abstand prominentesten Vertreter der KI. Sie lassen sich nach einer Anlernphase als schnelle und effiziente Klassifizierer in komplexen Aufgabestellungen einsetzen.
Bildlegende: Die Automatisierung repetitiver Aufgaben, z.Bsp. in der Buchhaltung, wird zunehmend durch KI unterstützt. (eigene Darstellung angelehnt an: Buxmann & Schmidt, 2019)
Text: Regina Weber, Nikita Aigner, Andreas Eigenheer, Berner Fachhochschule BFH